Es war eine Liebesbeziehung wie vermutlich viele. Dem Kennenlernen im Frühling folgte ein aufregender Sommer, Trennung, das erneute Entfachen der Liebe ein paar Jahre später, das Bemühen um Freundschaft und schließlich der schmerzliche Verlust. Im Grunde nicht weiter außergewöhnlich. Allerdings bestens dokumentiert und seit 2008 (als der Briefwechsel zwischen Bachmann und Celan erschien) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Nachvollziehbar wird in dem mit Kommentaren und Register rund 400 Seiten umfassenden Band vor allem das Ringen um Worte zwei der bedeutendsten Vertreter der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur.
Die österreichische Filmemacherin Ruth Beckermann hat nun Auszüge daraus verfilmt. Sich im Hin- und Her der Gefühle zurechtzufinden benötigt jedoch Einiges an intuitivem Gespür von Seiten des Rezipienten. Vieles wird – dem Briefwechsel im Buch entsprechend – oft nur angedeutet (dem einen oder anderen Brief war beispielsweise ein Telefonat vorausgegangen), gerne wird auf Gedichte des anderen referenziert oder auf ein gemeinsames Erlebnis angespielt. Eben das macht den Briefwechsel, sei es in lesender oder betrachtend-lauschender Weise, dennoch spannend. So wie sich die Poeten das Gesagte mühsam erarbeiten heißt es auch für Schauspieler und Zuseher am Verständnis des Ausgesprochenen zu arbeiten. Wir sehen Burgschauspieler Laurence Rupp und die als Soap&Skin bekannte Künstlerin Anja Plasch auf der Leinwand in den Aufnahme-Pausen zu den Tonaufnahmen der Briefe um Ausdruck und Verständnis ringen – sich fragen, warum Bachmann oder Celan auf die eine oder andere Weise reagierten. Die Suche um einen kunstvollen, richtigen Ausdruck, der produktive Umgang miteinander stehen damit sowohl in der Ebene der Briefe als auch in ihrer Vertonung im Zentrum.
Im langen Schatten der Vergangenheit
Immer im Blickwinkel bleibt das lyrische Werk der beiden. Gerne spielt Bachmann in ihren Arbeiten beispielsweise auf Zeilen Celans an. Nach dessen Tod flicht sie Erinnerungen an ihn in ihren Roman „Malina“ ein. Schon am Beginn der Beziehung steht ein Gedicht. Mit „In Ägypten“, das Celan am 24. Juni 1948 der Geliebten zu ihrem 22. Geburtstag in einen Matisse-Bildband niederschreibt, fordert er sie auf als Fremde – als Nicht-Jüdin – seine Gefährtin im Kampf gegen das Vergessen zu werden. So schwebt denn auch über der Beziehung bis zum Ende die dunkle Wolke – in seinem berühmten Gedicht „Die Todesfuge“ spricht Celan vom Grab in den Lüften – der Shoah. Beckermann gelingt es diesen Schatten des Antisemitismus anhand der Briefe von Celan, dessen Eltern in einem jüdischen Konzentrationslager umkamen und der selbst ein Arbeitslager überlebte, stellenweise und doch allgegenwärtig dezent über der Handlung schwebend ins Bild zu setzen. Am deutlichsten tritt der tiefe Schnitt, der durch die unterschiedliche Herkunft zwischen dem jüdischen Migranten Celan und der Tochter eines Nationalsozialisten Bachmann verläuft, vielleicht im Zuge der Goll-Affäre (die Witwe des Dichters Yves Golls beschuldigte Celan des Plagiats und schreckte dabei auch vor Antisemitismen nicht zurück) zutage. Weder Bachmann, die sich schon früh von der menschenverachtenden Diktatur, der ihr Vater diente, distanzierte, noch der zu dieser Zeit mit Bachmann liierte Max Frisch finden gegenüber dem zutiefst erschütterten Dichter die richtigen Worte. Deutlich ist in dieser emotional aufgeladenen Diskussion auch die Stimmung im Nachkriegsdeutschland bzw. Österreich oder der Schweiz spürbar. Der Mief des Nationalsozialismus, der auch nach dem Krieg ungebrochen über den Ländern schwebt, muss nicht nur für Bachmann und Celan schwer zu ertragen gewesen sein.
Diese Stimmung des ewig Gestrigen korreliert in gewisser Weise mit der Patina, die das historische Tonstudio des Funkhauses mittlerweile angesetzt hat. Die Situation eskaliert im Zuge der Rezension des Kritikers Blöcker im Tagesspiegel, der sich nicht nur in einer kritischen Bewertung des Gedichtbandes „Sprachgitter“ von Celan antisemitisch äußert, sondern dem Dichter quasi die Verbindung mit der Wirklichkeit in seinem Werk abspricht. Ein Punkt der Celan zutiefst treffen musste, da er stets betonte, dass seine Gedichte Grabinschriften für die Opfer des Holocaust seien und er als Dichter bemüht war mit Hilfe der Dichtung nach Wahrheit zu suchen. Eine Suche, die immer wieder auch in anderen Werkpassagen deutlich spürbar wird. So wird nicht zuletzt auch das gemeinsame Suchen einer Lampe für die Wohnung Bachmanns zur Metapher für die Suche nach der (gemeinsamen) Wahrheit. Eine Situation, an der kein ernsthafter Künstler jemals vorbeikommen wird. Auch das wird in Beckermanns Film erkennbar. „Die Geträumten“ regt definitiv zum Denken an und macht neugierig das Werk von Bachmann und Celan (neu) zu entdecken.
Die Geträumten. Ein Film von Ruth Beckermann. Österreich 2016. 89 Minuten
Kinostart: 16. Dezember 2016
Noch bis 5. Jänner ist zudem im Filmmuseum die erste Gesamtretrospektive in Österreich zu Ruth Beckermann zu sehen.
©Fotos: Stadtkino Filmverleih
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